20110720
28 Days Stirbst Du Noch Oder / Day 20
"I am very proud to follow the rules of our company." - Ingvar Kamprad
Nachts ist es dir irgendwie gelungen, eine Hand aus der Fixierung zu befreien, du hast die Stange des Trennvorhangs aus der Halterung gelöst und damit auf einen Pfleger eingedroschen. Aus Notwehr. Hast dir den Katheder und den Zugang am Hals raus gerissen, wolltest flüchten. Deine Mutter ist pünktlich um zehn an deinem Bett, bleibt dort auch einige Stunden, dann löst Vicki sie ab. Du redest mit ihr über Essen, wünscht dir Köttbullar. Wir bereiten dir einen leichten Kartoffelsalat und Bouletten zu, ich such dir dein Besteck zusammen, pack alles ein und renne durch den Sturzregen ins Krankenhaus.
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Du kannst dich vollkommen klar artikulieren, man hat alle Schmerzmittel und Sedativa abgesetzt, du bekommst jetzt ausschliesslich Psychopharmaka gegen deine paranoiden Schizophrenie-Schübe. Du machst mir angst, erklärst mir, du und Lasse seid zweigeteilt und müsst im CT neu zusammengesetzt werden. Nachts hätte man auf Lasse geschossen. Du hast ein extrem bösartiges Gesicht, ich versuche trotzdem, dich zu Bouletten und Kartoffelsalat zu überzeugen, du kaust, grinst fies und spuckst mit höhnischem Gelächter alles in den Vorhang. „Du wolltest, dass ich explodiere!“
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Um dich zu beruhigen, koste ich von dem Kartoffelsalat. „Siehst du, nix passiert.“ Ich soll mir Lasses Leiche im Schrank anschauen und dann einen Blick in den Spiegel werfen. Ich darf dich nicht anfassen. Du hast eine neue Entzündung und Fieber, 39, 2 °. Du glaubst mir nicht. Plötzlich brüllst du mich an, ich solle sofort verschwinden, ich hätte von dem Essen gegessen und würde gleich explodieren. Ich stürze aus dem Krankenhaus. Deinen Kindern geht es nicht gut. Charlie zerreisst stundenlang Papier in winzige Stückchen und fragt ständig „Papa besser? Tschali traurig. Papa hause?“ Die vielen verschiedenen Menschen, die abwechselnd auf die Kinder aufpassen, damit ich zu dir ins Krankenhaus kann, machen sie ziemlich fertig. Langsam gerate ich in einen harten Gewissenskonflikt. Nach knapp 20 Tagen Ausnahmezustand brauchen die Kinder dringend ein wenig Ruhe.
Andererseits will ich zu dir ins Krankenhaus, will Vicki nicht alleine lassen. Schwierig.