„The day which we fear as our last is but the birthday of eternity.“ - Seneca
Nachdem du deinen Geburtstag mit üblen Bauchschmerzen vorwiegend liegend und gekrümmt verbracht hast, überzeugst du Vicki und mich fatalerweise von einer Schmerztherapie mit Schnaps, Aspirin und einem Joint.
Um 3 h 35 weckst du mich: „Hol einen Krankenwagen, ich sterbe.“ Ich glaube dir sofort, 112 erkundigt sich erwartungsvoll nach Blut im Stuhl und Erbrechen, ich muss sie enttäuschen, kein EHEC, Hamburg bleibt Quotensieger. Die dicken Sanitäter mit den groben Stiefeln schnauzen an den schlafenden Kindern vorbei: “Uffstehn, anziehn, junger Mann.“ Sie begreifen den Ernst der Lage nicht. Die Kinder schauen erschrocken am Fenster dabei zu, wie ihr Vater über den Hof abgeführt wird. Ich benachrichtige Vicki, die sich sofort auf den Weg macht. Sie berichtet mir verzweifelt, dass sie dich im Krankenhaus einfach auf einer Pritsche warten lassen, die Diagnose steht noch aus, aber die Schmerzen sind unerträglich. Um 5 h 40 rufst du endlich an, nuschelst schwach: „Bauchspeicheldrüseninfektion.“. Ich steh am Schlafzimmerfenster, schaue auf den Eingang der Notaufnahme, mir ist schlecht und ich warte, dass die Kinder aufwachen.
Endlich, gegen 9 h höre ich bei den Nachbarn Geräusche. Die Kinder werden kurzerhand zu J & N abgeschoben, Vicki anrufen, kurz verlaufen, schliesslich hoch zu Station 6. Überall hängen Männer an Kreuzen, komisch.
Ein Tropf mit Kochsalzlösung, ein Tropf mit Schmerzmittel, der Name sagt mir gar nichts. Das kann nicht richtig sein. Beratung mit Vicki auf dem Gang. Station 6 ist definitiv die Insel der Idioten, hier ist der hippokratische Eid bei weitem nicht so wichtig wie die korrekte Beschriftung der Patientenschränke. Vicki will alle verklagen, ich setz mich an dein Bett und halt dich fest, alles sinnlos, aber jeder tut verzweifelt das, was er meint, am Besten tun zu können. Du sollst erst entgiftet werden, bevor sie die Therapie dosieren können. Wir weisen immer wieder darauf hin, dass die Blutprobe kein Montag-Abend-Durchschnittswert ist, dass gerade Geburtstag gefeiert wurde, die Information geht wahrscheinlich im üblichen Hierarchie-Hick-Hack verloren.
Du bist jetzt völlig weggetreten, man bittet uns zu gehen. Ich hol die Kinder ab, Vicki bleibt. Du rufst an, hast Angst, ich auch, aber die Schmerzen sind ein wenig besser. Wir lesen alles, was wir im Internet finden können. Ich bring die Kinder ins Bett, sie sind sehr verstört, aber müde, ich muss kotzen, zwei mal. J. & N. überwachen den unruhigen Kinderschlaf, ich schleich mich noch mal auf Station 6. Du redest wirres Zeug, leidest, man erklärt mir, das sei der Entzug. Ich bleibe sitzen, am Bett, lange Zeit, schlafe kurz neben dir ein, Macht der Gewohnheit. Plötzlich unerwartet Visite, der Oberarzt schickt mich raus. Ich versuche an der Tür zu lauschen, aber man versteht nichts. Hock mich müde in den hellen Gang und warte stur eine Dreiviertelstunde. Dann endlich, die Tür geht auf, „Gibt es etwas Neues?“ „Sieht übel aus.“
Das war‘s. Ich renne nach hause, J. empfiehlt mir eine von seinen Beruhigungstabletten, ich ruf wieder Vicki an, sie sagt, ich soll sie annehmen, wir brauchen alle morgen Kraft und keinen Kater.
Vicki ruft noch einmal im Krankenhaus an, die behandelnde Ärztin versichert uns, dass es zwar schlecht aussieht, aber auch, dass der Herr Oberarzt gerne besonders aggressiv mit Angehörigen umgehe.