www.blogpingsite.com

20120629

boves Lucas


1866/06/29 - Murten In den frühen Morgenstunden tötet ein Elefant des anlässlich des Wochenmarktes in der Stadt gastierenden «Circus Bell & Myers» den ihn seit 14 Jahren versorgenden Mahout und flieht aus seiner Unterkunft, einer Remise des «Gasthof zum Weissen Kreuz». Geraume Zeit rennt das nicht zu bändigende Tier, eine Spur der Zerstörung hinterlassend und panische Murtener vor sich her treibend durch die Gassen des rund 2200 Einwohner zählenden Städtchens.


Das Exemplar der Gattung «Bos Luca» ist offenbar in der «Musth», ein Zustand, in den Elefantenbullen ab ungefähr dem 15. Lebensjahr gelegentlich geraten und der sie angriffslustig und unkontrollierbar werden lässt. In freier Wildbahn weichen dominante Rivalen ihnen während dieser Zeit aus und einzelgängerische Bullen erhalten die Chance sich, um endlich auch einmal eine Elefantenkuh begatten zu können, einer Herde vorübergehend anzuschliessen.
Durch den Bau mehrerer Barrikaden gelingt es, von mutigen Einwohnern unterstützt, den Zirkusbesitzern, ihren indischen Elefanten in einer Gasse einzuschliessen, vor dem «Weissen Kreuz» zu stellen und zurück in den Stall zu treiben. Auf einer umgehend einberufenen Sitzung, beschliesst der Gemeinderat, nach Absprache mit der Zirkusdirektion, das augenscheinlich ausser Kontrolle geratene Tier durch Artilleriebeschuss zu töten. Alle Kinder werden im Schulhaus «consigniert» und aus dem nahen Kantonshauptort Truppen inklusive einer Kanone angefordert.


Die Artilleristen beziehen Stellung, auch ein Kontingent Scharfschützen zieht auf, dann lockt man den mittlerweile bereits etwas ermatteten Bullen mit Heu, Brot und Wasser, aus dem Stall. Der Kommandant gibt den Feuerbefehl. „Da - ein Blitz und ein donnerähnlicher Krach zugleich!“, berichtet der Chronist Johann Frey, ein ortsansässiger Schlosser. Und: „Der Meisterschuss des Hauptmanns Daniel Stock hat den Elephanten durch und durchgeschossen, langsam neigt er sich zur Seite und fällt regungslos auf den Boden, gerade auf die durch die Kugel entstandene Öffnung und ein heisser Blutstrom quillt aus seiner linken Seite. Zudem erhält der nun tot am Boden liegende Elefant von den postierten Schützen noch einige Salven in die Seiten.“

Der Kadaver wird vom Metzger gehäutet und zerlegt, das Fleisch zu einem Preis von 20 Centimes das Pfund verkauft und von den Murternern als Geschnetzeltes verzehrt. 
Die Haut präpariert und ausgestopft, soll, um mit Eintrittsgeldern die Renovierung der Stadt finanzieren zu können. ausgestellt werden. Es erweist sich aber, dass man keine geeigneten Räumlichkeiten hat. Also wird mit grossem Enthusiasmus, gleichsam als Tempel für das tote Fabeltier, der Bau eines exotischen Pavillons geplant. Die Begeisterung kühlt indes schnell ab, denn das Projekt droht ungeahnte Summen zu verschlingen. Allein der Ankauf des Kadavers hat die Gemeinde 850 Franken gekostet. Dazu kommen 600 Franken für den Gerber, 1550 Franken für den Tierpräparator und noch immer ist der Elefant lediglich in einem provisorischen Verschlag untergebracht. 
Im November 1867 schliesslich haben die letzten Anhänger des Elefantenpavillonbaus genug und die Bürgerversammlung beschliesst, Skelett und Präparat für 3000 Franken an das Naturhistorische Museum Bern zu verkaufen. Beim Umzug des Museums in den dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts gelingt dem Elefanten erneut die Flucht, er ist seitdem verschollen.