Kommando „Katharina Hammerschmidt“
1993/03/27 - Darmstadt Die gerade fertiggestellte Justizvollzugsanstalt Weiterstadt, soll in fünf Tagen festlich eröffnet und bis dahin mit fünfhundert Häftlingen befüllt werden. Zehn Wächter sind vor Ort, drei saufen im Postenhaus gegen die Langeweile im leeren Knast an, sieben Justizvollzugsanwärter sind schon dicht, sie schlafen in den neugebauten Zellen.
Gegen 01Uhr25 überwinden mindestens drei Männer und eine Frau die 6,50 m hohe Aussenmauer. Es sind wahrscheinlich Daniela Klette, Ernst Volker Staub und Burkhard Garweg und vielleicht Birgit Hogefeld und der am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen ums Leben gekommene Wolfgang Grams.
Gegen 01Uhr25 überwinden mindestens drei Männer und eine Frau die 6,50 m hohe Aussenmauer. Es sind wahrscheinlich Daniela Klette, Ernst Volker Staub und Burkhard Garweg und vielleicht Birgit Hogefeld und der am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen ums Leben gekommene Wolfgang Grams.
Alle sind maskiert und mit Maschinenpistolen bewaffnet. Sie dringen in das Postenhaus ein, dort verfolgen drei Wächter, zwei private und ein verbeamteter, im Fernsehen, „Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“, es gibt Chips und Bier und Schnaps. „Hände hoch!“ Die Wächter gehorchen. „Hände auf den Rücken! Handschellen anlegen! Wir sind von der RAF. Wir haben 200 Kilogramm Sprengstoff mitgebracht. Heute Nacht wird der Knast gesprengt.“ Die Wächter grummeln. „Aber: Wir sind da, um euch vorher zu evakuieren.“ Die Wächter blicken unsicher. „Euch wird nichts passieren“, beruhigt sie Klette, „wenn ihr keine Scheisse baut.“ Die Vollzugsanwärter werden im Schlaf überrascht und ebenfalls gefesselt. Anschließend sperren die Angreifer das Personal in einen Lieferwagen und stellen das Fahrzeug etwa 600 m entfernt hinter einer Deponie ab.
Es geht sehr entspannt weiter, die Abrissbrigade lässt sich mehrere Stunden Zeit, sucht das Gelände nach weiteren Personen ab, trinkt das Bier aus und den Schnaps und deponiert fünf Ladungen mit insgesamt 200 kg gewerblichem Sprengstoff. Um 05:12 Uhr explodieren die Sprengladungen. Drei Unterkunftsgebäude und der Verwaltungstrakt werden zerstört, der Rest der Anlage mehr oder weniger schwer beschädigt. Die sofortige Fahndung bleibt erfolglos. Der materielle Schaden beträgt 123 Millionen DM.
Am 30. März 1993, veröffentlicht das „Kommando Katharina Hammerschmidt“ eine Erklärung zum Anschlag auf den Knast Weiterstadt:
„Der Weiterstädter Knast steht exemplarisch dafür, wie der Staat mit dem aufbrechenden und sich zuspitzenden Widersprüchen umgeht: gegen immer mehr Menschen Knast, Knast, Knast – und er steht als Abschiebeknast für die rassistische staatliche Flüchtlingspolitik. In seiner technologischen Perfektion von Isolation und Differenzierung von gefangenen Menschen ist er Modell für Europa. (…) – Knäste müssen abgerissen werden.“
Der Sprengstoffanschlag war die letzte Aufsehen erregende Aktion der RAF vor ihrer Auflösung im Jahr 1998. Der Wiederaufbau der JVA Weiterstadt dauerte vier Jahre. Im Mai 1997 können die ersten Gefangenen einziehen.