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20140816

Game Over


2003/08/16 - Dschidda Dead at 75, Idi Amin Dada.




1974 entstand unter der Regie von Barbet Schroeder ein Dokumentarfilm mit dem Titel General Idi Amin Dada (Général Idi Amin Dada: Autoportrait), in dem der, auf dem Höhepunkt seiner Macht stehende, ugandische Präsident bei verschiedenen Auftritten, im privaten Umfeld, in Interviews und in Monologen mit der Kamera porträtiert ist. Hank Chinaski hat den Film gesehen:

  »Kommt, wir fangen an . . .«
Sarah und ich folgten ihm in den Vorführraum. Von der Bar kamen einige mit, darunter Wenner und seine Begleiterin. Als wir uns setzten, sagte Jon: »Das an der Bar war Wenner Zergog. Letzte Woche hatte er Krach mit seiner Frau. Sie haben mit Pistolen aufeinander geschossen, aber nichts getroffen.«
  »Ich hoffe, seine Filme sind treffsicherer . . .«
  »Oh, das sind sie.«
 Jetzt verdunkelte sich der Raum, und »Die lachende Bestie« flimmerte über die Leinwand.
 Lido Mamin war ein Mann von imposantem Körperumfang und Ehrgeiz, aber sein Land war klein und arm. Bei den grossen Ländern spielte er seine Karten links wie rechts und feilschte mit beiden Seiten um Geld, Lebensmittel- und Waffenlieferungen. Aber eigentlich wollte er die Welt regieren. Er war ein mörderischer Hundsknochen mit einem fabelhaften Sinn für Humor. Er fand, dass im Grunde kein Leben ausser seinem eigenen etwaswert war. Wer sich in seinem Land im geringsten verdächtig machte, wurde ermordet und in den Fluss geworfen. Es schwammen so viele Leichen im Fluss, dass die Krokodile feist wurden und nichts mehr runterkriegten.
  Vor der Filmkamera war Mamin mit Begeisterung bei der Sache. Er inszenierte für Pinchot sogar eigens eine Kabinettsitzung. Seine Untergebenen sassen zitternd vor ihm, und Mamin stellte Fragen und gab politische Direktiven. Er grinste ständig und ließ seine grossen gelben Zähne blitzen. Wenn er nicht gerade einen umbrachte oder den Befehl dazu gab, fickte er. Er hatte ein Dutzend Frauen oder mehr und so viele Kinder, dass er die Übersicht verlor.
 Während der Kabinettsitzung verschwand ab und zu sein Grinsen, und seine Miene drückte aus, daß er sich für einen Gott hielt, der zu allem fähig war. Er spürte die Angst seiner Minister, nutzte sie aus und ergötzte sich daran.
 Die Sitzung endete, ohne das jemand umgebracht wurde.
Dann liess er sämtliche Ärzte des Landes antreten. Er versammelte sie im gewaltigen Operationssaal der zentralen Klinik, und sie sassen in ansteigenden Sitzreihen im Halbkreis vor ihm, während er in der Mitte stand und eine Ansprache hielt:
  »Ihr seid Ärzte, aber ohne mein Wort seid ihr nichts. Ihr glaubt allerhand zu wissen, aber das ist eine Illusion. Ihr seid nur auf einem Gebiet ausgebildet. Seht zu, dass diese Ausbildung nicht euch, sondern eurem Land nützt. Wir leben in einer Welt, in der nur die recht haben werden, die am Ende überleben. Ich werde euch sagen, wie ihr eure Fähigkeiten und euer Leben einzusetzen habt. Seid bitte nicht so dumm, gegen meine Wünsche zu verstossen. Ich will eure Ausbildung und Fähigkeiten nicht verschwenden. Ihr müsst immer daran denken, dass ihr nur wisst, was euch gelehrt wurde. Ich weiss mehr als das, was gelehrt wird. Ihr werdet immer tun, was ich verlange. Das möchte ich unmissverständlich klarstellen. Habt ihr verstanden?«
 Schweigen.
 »Bitte«, fuhr Mamin fort, »möchte jemand etwas gegen meine Worte einwenden?«
 Schweigen.
Mamin war ein Herzchen, ein monströses Herzchen, und irgendwie mochte man seine grobschlächtige und grässliche Art - solange man bei den Morden und Folterungen nicht zusehen musste.
 Als nächstes führte Mamin seine Luftwaffe vor. Nur dass er keine Luftwaffe hatte. Noch nicht. Aber die Piloten und die Uniformen hatte er schon.
  »Das«, sagte er, »ist unsere Luftwaffe.«
 Der erste Pilot rannte über einen langen Steg aus Holzbohlen. Am Ende der Runway sprang er in die Luft, ruderte mit den Armen und landete.
 Der nächste Pilot nahm Anlauf. Dasselbe.
 Der nächste Pilot. Der nächste.
Es müssen vierzehn oder fünfzehn Piloten gewesen sein. Jeder stiess beim Absprung einen kleinen Schrei aus und machte ein begeistertes Gesicht. Man hatte ein komisches Gefühl dabei. Sie fanden es lächerlich, und doch glaubten sie daran.
 Als der letzte gestartet und gelandet war, postierte sich Mamin vor die Kamera.
  »Dies mag albern wirken, doch es ist sehr wichtig. Auch wenn wir etwas noch nicht in der Wirklichkeit haben, wollen wir uns innerlich schon darauf einstellen. Eines Tages werden wir unsere Luftwaffe haben. In der Zwischenzeit blasen wir nicht Trübsal in den Schatten des Zweifels. Ich danke Ihnen.«
 Dann kamen einige Innenaufnahmen aus den Folterkammern. Im Moment war niemand drin. Aber es lag Kot herum. Ketten. Die Wände waren blutverschmiert.
  »Hier«, sagte Lido Mamin, »sagen die Verräter und Lügner endlich die Wahrheit.
 Zum Abschluss sah man Mamin mit zahlreichen Leibwächtern und sämtlichen Ehefrauen und Kindern in einem riesigen Park. Die Kinder waren nicht fröhlich und tollten nicht herum. Sie standen genauso stumm vor der Kamera wie die Leibwächter. Die Frauen lächelten alle. Manche hielten einen Säugling auf dem Arm. Lido Mamin bleckte seine grossen gelben Zähne zu einem Grinsen. Er wirkte sehr sympathisch. Vielleicht sogar liebenswert.
 Die letzte Einstellung zeigte den Fluss mit den vollgefressenen Krokodilen. Sie lagen aufgedunsen und träge im Wasser und verdrehten nur ein wenig die Augen nach den Leichen, die vorbeischwammen. Ende.
 Es war ein faszinierender Dokumentarfilm, und ich freute mich, es Pinchot sagen zu können.
  »Ja«, meinte er, »ich mag aussergewöhnliche Menschen. Darum bin ich auch zu dir gekommen.«
  »Der Vergleich mit Lido Mamin ehrt mich«, sagte ich.
  »Stimmt ja auch«, sagte er. (...)

Charles Bukowski, »Hollywood«