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20140827

Warum toben die Heiden ...


1900/08/27 - Weimar Friedrich Nietzsche ist seit zwei Tagen tot. Nacheinander wird, sie sollen die Totenmaske abnehmen, an Max Klinger und Ernst Moritz Geiger telegraphiert. Beide haben keine Lust, nur um den Knusperkopf abzuformen, nach Thüringen zu fahren und Harry Graf Kessler, bekannt dafür, ständig Sachen zu machen die er nicht kann, macht sich daran, es mal wieder selbst zu versuchen.
Kessler notiert in seinem Tagebuch: „Der Kopf wurde etwas aufgerichtet so, dass er gerade lag; ein junger Lehrling, der mit den Trauerdecorationen beschäftigt war, half beim Eingipsen; in einer halben Stunde war die Maske fertig.“ So sieht das Ergebnis dann auch aus.


Leider wusste Kessler nicht, dass es angeraten gewesen wäre, Nietzsches Gesicht mit irgend einem Trennmittel einzuschmieren, die buschigen Augenbrauen sind beim Entfernen der Maskenform ausgerissen und im gewaltigen Schnauzer des Altphilologen kleben Gipsbrocken, die sich partout nicht lösen lassen wollen. Bald soll die Trauerfeier beginnen, die haarigen Insignien einfach abzurasieren verbittet sich Nietzsches Schwester Elisabeth, man beschliesst das Antlitz zu verhüllen.

„Um 5 die Trauerfeier. Der Sarg stand noch offen da, das Gesicht aber mit dem Leichentuch bedeckt. Lichter brannten. Ein Frauenchor sang das Lied von Brahms ,Wenn ein müder Leib begraben‘. [Ernst] Horneffer und [Kurt] Breysig redeten, Horneffer mit Takt und Feuer, Breysig ohne Beides und viel zu lange und confuse; dann aber die herrlich tragische Motette Palestrinas ,Quare fremuerunt gentes‘ von den Frauenstimmen a capella.“ Als die meisten Anwesenden fortgegangen waren deckt Kessler den Kopf des Toten auf und versucht, noch einmal, auch diesmal vergeblich, Nietzsche von den Gipsresten zu befreien, dann geht er und sitzt, noch bis „spät Nachts“ mit Breysig beim Wein. 

Der Graf resümiert das Gespräch: „An der zur Trauerfeier zusammengekommenen Gesellschaft fällt nicht nur der Mangel an berühmten, anerkannten Namen auf, sondern noch mehr und bedauerlicher der Mangel an in sich wertvollen und bedeutenden Menschen.“