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20120411

Genesis 4:23


Eine Hand voll Ösen und Nieten soll Siegfried am neunten Prozesstag als Mörder überführen. Es sitzen viele Menschen im Saal, überall Journalisten und Fotografen. Man hat sich auf einen langen Verhandlungstag vorbereitet. Zwei ältere Damen aus Dettelbach haben ihre Pillendöschen mitgebracht, „Morgen, Mittag, Abend“, sowie belegte Brote und Thermoskannen.
Das Schwurgericht beruft sich auf eine Aussage Siegfrieds in der Aufnahmezelle der JVA Würzburg. Laut Aussage der Mitinsassen soll er erwähnt haben, er habe die Brechstange, mit der er den Schädel seines Bruders zerschmetterte, sowie seine blutdurchtränkte Kleidung in den Ofen geworfen. Die Tatwaffe habe er anschliessend „da vergraben, wo sie keiner findet“. Tatsächlich fand die Spurensicherung in einem Ofen auf dem Weingut Nieten und Ösen, die bei dem Verbrennen einer Jeans übrig geblieben sein könnten.
Da die Einzelheiten aus Siegfrieds ausführlicher Schilderung nur dem Täter bekannt sein dürften, scheint es keinen Zweifel mehr an der Schuld des Angeklagten zu geben. Der Staatsanwalt fordert 15 Jahre Haft wegen Mordes. Ein Raunen geht durch den Saal.


Siegfried berät sich leise mit seinem Verteidiger, schüttelt immer wieder den Kopf. Schliesslich beantragt Rechtsanwalt Dr. Schrepfer Prozessverlängerung und kündigt an, dass sein Mandant beabsichtigt, ein Geständnis abzulegen. Dieses werde veranschaulichen, dass es sich bei der Tat um eine Affekthandlung und somit um Totschlag gehandelt hat. Der Prozess wird vertagt.


Das Geständnis, das der Verteidiger am letzten Prozesstag verliest, umfasst 14 Seiten, der Titel lautet: „Seine Verwandtschaft kann man sich nicht heraussuchen“. Er schildert die brutalen Misshandlungen durch den Vater und den fünf Jahre älteren Bruder Horst und wie sich beide Männer regelmässig an seinen Schwestern vergingen. Wie das Opfer Siegfrieds Ehen zerstörte, ihn demütigte und ihm drohte. Und dass dieser im Ort wüste Verleumdungen über ihn verbreitete. Er habe zu keinem Zeitpunkt geplant, den Bruder zu töten.








„Am Donnerstagabend wollte ich noch mal mit dem Horst sprechen. Ich wollte ihn bloss überreden, seine Anzeige zurückzuziehen. Als ich die Kelterhalle betreten wollte, stellte ich fest, dass sie von innen verschlossen war. Ich wurde wütend. Da griff ich mir eine Brechstange und schlug ein Loch in die Holztür. Als ich die Halle betrat, musste ich feststellen, dass Horst im Rausch sowohl mehrere Tanks als auch die Traubenpresse beschädigt hatte.
Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich schlug auf die Wände seines Holzverschlags ein. Horst hatte sich in einem Schrank versteckt. Er wollte nicht herauskommen, da habe ich auf die Schranktüren eingeschlagen. Immer weiter, wie im Wahn. Als ich wieder zu mir kam, lag er tot am Boden.“

Er habe ihm die Genitalien zertreten, weil diese die Ursache seiner gescheiterten Ehen gewesen seien. An dieser Stelle des Geständnisses blickt Siegfried unsicher zu seiner  Schwester Maria, die ihm blass aus dem Saal zunickt.

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