1886/06/12 - Hohenschwangau Auf Schloss Neuschwanstein erschien gegen Mitternacht des Vortages eine Kommission, deren Mitglied Professor Bernhard von Gudden den hier residierenden König Ludwig II. von Bayern über den Inhalt eines, den Geisteszustand des Königs betreffenden, Gutachtens, die Übernahme der Regentschaft durch Ludwigs Onkel Luitpold und über die Tatsache, dass er in Gewahrsam genommen sei, informierte.
Ludwig II. war, da seine passionierte Bautätigkeit, wie zuvor die umfangreiche Unterstützung des, glücklicherweise 1883 in Venedig verstorbenen, Komponisten Richard Wagner, die Staatskasse über Gebühr belastete, am 8. Juni, auf Betreiben der Ministerialen, in einem durch die Ärzte Bernhard von Gudden, Friedrich Wilhelm Hagen, Hubert von Grashey und Max Hubrich, aufgrund von Zeugenaussagen und ohne persönliche Untersuchung des Patienten erstellten, Gutachten für „seelengestört“ und „unheilbar“ erklärt und am 9. Juni entmündigt worden.
Dem König gelang es, noch einen Aufruf an das bayerische Volk abzusetzen, der in der Bamberger Zeitung vom 11. Juni abgedruckt wird: „Der Prinz Luitpold beabsichtigt, sich ohne meinen Willen zum Regenten meines Landes zu erheben, und mein bisheriges Ministerium hat durch unwahre Angaben über meinen Gesundheitszustand mein geliebtes Volk getäuscht und bereitet hochverräterische Handlungen vor. [...] Ich fordere jeden treuen Bayern auf, sich um meine treuen Anhänger zu scharen und an der Vereitelung des geplanten Verrates an König und Vaterland mitzuhelfen.“ Der Aufruf erreichte seine Adressaten nicht mehr, da die Auflage der Zeitung noch vor ihrer Auslieferung beschlagnahmt wurde.
Am 10. Juni hatte Luitpold als Prinzregent die Regierungs-verantwortung übernommen und in der Nacht vor dem Druck der königlichen Anklage war, um Ludwig festzusetzen, die Kommission schon einmal nach Neuschwanstein gekommen, der König liess sie allerdings verhaften und zurück nach München expedieren.
Jetzt ist die erneut entsandte Kommission erfolgreicher, Ludwig wird um 04:00 Uhr morgens nach Schloss Berg, seiner Sommerresidenz am Ufer des damals noch Würmsee genannten Starnberger Sees, verbracht und dort unter Hausarrest gestellt.