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20130318

A fat boy is playing with a pond.


1911/03/18 - Berlin Eines der bis heute beliebtesten Gedichte des Expressionismus, Alfred Lichtensteins, Die Dämmerung, erscheint erstmals in Herwardt Waldens Der Sturm.

Lichtenstein wird 1889 in Berlin geboren. Dort besucht er auch die Schule, legt am Luisenstädtischen Gymnasium sein Abitur ab und studiert erst hier, später in Erlangen, Rechtswissenschaften. 1910 beginnt er, Gedichte zu veröffentlichen. Sie erscheinen zunächst im Sturm, seit 1912, wie auch ein weiteres bekanntes Gedicht, Punkt, im Januar 1914, auch in der Aktion. 1913 promoviert Lichtenstein an der Universität Erlangen und tritt als Einjährig-Freiwilliger in das bayerische 2. Infanterieregiment in München ein. Von Kriegsbeginn, am 1. August 1914, an nimmt er am Ersten Weltkrieg teil und fällt, am 25. September 1914, bei Vermandovillers, an der Somme.


Die Dämmerung

von Alfred Lichtenstein

Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.
Der Wind hat sich in einem Baum gefangen.
Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,
Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.

Auf lange Krücken schief herabgedrückt
Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme.
Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt.
Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.

An einem Fenster klebt ein fetter Mann.
Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen.
Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an.
Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.


Punkt

von Alfred Lichtenstein

Die wüsten Straßen fließen lichterloh
Durch den erloschnen Kopf. Und tun mir weh.
Ich fühle deutlich, daß ich bald vergeh -
Dornrosen meines Fleisches, stecht nicht so.

Die Nacht verschimmelt. Giftlaternenschein
Hat, kriechend, sie mit grünem Dreck beschmiert.
Das Herz ist wie ein Sack. Das Blut erfriert.
Die Welt fällt um. Die Augen stürzen ein.


Abschied

von Alfred Lichtenstein
kurz vor der Abfahrt zum Kriegsschauplatz für Peter Scher

Vorm Sterben mache ich noch mein Gedicht.
Still, Kameraden, stört mich nicht.

Wir ziehn zum Krieg. Der Tod ist unser Kitt.
O, heulte mir doch die Geliebte nit.

Was liegt an mir. Ich gehe gerne ein.
Die Mutter weint. Man muss aus Eisen sein.

Die Sonne fällt zum Horizont hinab.
Bald wirft man mich ins milde Massengrab.

Am Himmel brennt das brave Abendrot.
Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot.