1987/09/29 - Goiânia Maria Gabriela Ferreira bringt einen Bleibehälter in ein Krankenhaus der brasilianischen Provinzhauptstadt. Die Ehefrau eines Schrotthändlers nimmt an, dass die Häufung seltsamer Krankheitsfälle, bei ihren Bekannten und Verwandten, irgendwie mit dieser komischen Kiste in Zusammenhang zu bringen seien.
Zwei Wochen zuvor hatten die kleinkriminellen Schrottsammler Wagner Mota und Roberto Santos Alves ein, im aufgelassenen Goiânischen Institut für Radiotherapie verbliebenes, Strahlentherapiegerät geborgen, auf einer Schubkarre abtransportiert, in Santos Hinterhof damit begonnen, es zu zerlegen und durch aus dem geöffneten Gerät entweichende β-Strahlung, schwere Verbrennungen erlitten.
Solcherart behindert verzichteten sie auf die weitere Demontage und verkauften ihren Fund an Maria Gabrielas Mann, Devair Alves Ferreira.
Der nahm das Gerät komplett auseinander und es gelang ihm auch, den darin verbauten Bleibehälter aufzubrechen. Darin das, in der Dunkelheit blau leuchtende, Cäsium-137, es fasziniert ihn. Ferreira nimmt die kontaminierte Konterbande mit nach Hause, verschenkt etwas Cäsium an Freunde und Familie und macht sich daran, aus dem Rest einen Armreif für seine Frau zu fertigen. Diese freut sich über das Geschenk und führt die Häufung von Erkrankungen in ihrem Umfeld, zunächst, auf eine gemeinsam begangene Festlichkeit zurück.
Die, von Übelkeit, Haarausfall und Bluthusten geplagten, Strahlenkranken gehen zuerst zum Apotheker, dann zum Hausarzt und zuletzt in Krankenhäuser. Dort glaubt man sich mit Symptomen einer neuartigen Krankheit konfrontiert und die Mediziner liebäugeln bereits mit der Möglichkeit, dem unbekannten Leiden ihren Namen geben zu können. Als die Schrotthändlergattin letztlich den Behälter vorstellt, ist es damit allerdings vorbei; der diensthabende Arzt vermutet, ganz richtig, Radioaktivität und verbringt den Behälter auf einen Stuhl im Garten des Hospitals.
Nachdem ein, aus Brasilia angereister, Spezialist der nationalen brasilianischen Atomenergiebehörde NUCLEBRAS das Ausmass der durch das Cäsium-137 verursachten Kontaminierung ermittelt hat. läuft ein behördliches Notfallprogramm an. Bei allen Einwohnern in und um Goiânia werden Messungen durchgeführt und von insgesamt 112800 untersuchten Personen 249 als verstrahlt identifiziert.
Es zeigt sich, dass die Radioaktivität über mehrere Wohnbezirke verschleppt worden ist und ganze Strassenzüge und Plätze kontaminiert sind. Die Einwohner werden in das Fussballstadion der Stadt evakuiert. Ihre Häuser müssen zwar abgerissen-, Gegenstände von grossem persönlichem Wert können aber, auf Antrag, geborgen und nach gründlicher Dekontamination, zurückgegeben werden.
Achtundzwanzig Goiânianer erlitten, strahlungsbedingt, Hautverbrennungen, manche mussten sich, schweren Herzens, von betroffenen Gliedmassen trennen und fünf Menschen sind an den Folgen des Unglücks gestorben: Mit einer, durch ionisierende Strahlung verursachten, Energiedosis von 5,4 Gray belastet, nach qualvollem Krankheitsverlauf, Maria Gabriela Ferreira. Wenige Tage später, zwei der Gehilfen des Schrotthändlers, 4,5 beziehungsweise 5,3 Gray. Ferreiras Nichte, deren Vater ihr, mit etwas mitgebrachtem Cäsium, eine Freude, machen wollte, sie rieb sich damit ein, ass, ohne sich die Hände zu waschen, zu Abend. Das Mädchen wurde, wie Devair Alves Bruder und die anderen Toten, in einem 700 kg schweren, mit Beton vergossenen, Bleisarg, beigesetzt.
Ferreira selbst überlebt 7,0 Gray unbeschadet. Er fordert hohe Summen für Interviews, in denen er seine Resistenz auf starken Bier- und Schnapskonsum zurückführt, scheint wegen des Ablebens seiner Frau erleichtert und heiratet bald wieder.
Die Gärten und öffentlichen Parkanlagen der Stadt wurden gerodet, die Erdschicht metertief abgetragen und Humus herangekarrt. Neue Pflanzungen gediehen schnell und prächtiger als je zuvor. Heute gehört Goiânia zu den brasilianischen Städten mit der besten Lebensqualität. Von den 1100 Hektar Stadtfläche sind 375 Hektar begrünt.