Siegfried Lachmann hatte sich widerstandslos in Gewahrsam nehmen lassen, obwohl alkoholisiert, sei er dann „überraschend höflich und kooperativ“ geblieben.
Als er zum Polizeiwagen bugsiert wird, hält er plötzlich inne, sein Blick ist jetzt vollkommen klar: „Und der Junge? Der kommt doch um fünf aus der Schule. Bitte, jemand muss sich um meinen Jungen kümmern. “
Das Polizeipräsidium Unterfranken für den Landkreis Kitzingen mit Sitz in Würzburg, Frankfurter Strasse 79, schickt umgehend Ermittler und Spurensicherung. Sie durchsuchen das Wohnhaus, finden aber nichts. Es ist auffallend ordentlich, die Reinigungsmittel in der Abstellkammer sind farblich sortiert. Auf den Tischen gehäkelte Deckchen und frische Schnittblumen.
An der Wand hängt eine Collage mit Photos, die den Jungen mit dem Vater zeigen: bei der Weinlese, beim Angeln am Main, beim Eisessen in der Altstadt von Dettelbach. In der Mitte wurde ein wenig Platz ausgespart, in Kinderschrift: Alles Gute zum Vatertag, lieber Vati!
Bis auf eine halbvolle Flasche Wodka auf dem Balkon finden sie hier keinen Alkohol. „Der Siggi, der ist ja kein Trinker. Wenn der am Sonntag nach der Kirche mal einen Schoppen trank, dann tat der sich doch den Wein mit Wasser verdünnen.“, wird einer der Zeugen später vor Gericht aussagen.
Anschliessend durchsuchen sie die Lagerhalle. Ort des Verbrechens ist zweifelsohne die Nische mit dem beschädigten Bauernschrank in dem Holzverschlag. Scheinbar hatte das Opfer versucht, sich hier zu verstecken.
Die Ermittler folgen der mit Kleidungsstücken notdürftig verdeckten Blutspur zu Tank Nummer 14. Sie öffnen den riesigen Stahlbehälter: in mehreren hundert Litern Weisswein schwimmt die Leiche eines nackten, fetten Mannes. Die Schädeldecke ist zertrümmert. Der Genitalbereich zermatscht. Schienbeine und Oberschenkel sind von Hämatomen und Striemen übersät.
Nachdem die ersten Untersuchungen abgeschlossen sind, ergibt sich für die Ermittler folgender Tatbestand: Das Opfer, der 58-jährige Hans Landwehr, wurde in der Nacht des 27. Januar 2011 durch einen schweren, stumpfen Gegenstand mit zwei Schlägen auf die Schädeldecke in dem von ihm bewohnten Holzverschlag getötet. Post mortem wurden ihm schwere Verletzungen im Genitalbereich zugefügt. Die Hämatome an Schienbeinen und Oberschenkel stammen von einem Zwischenfall, der sich ungefähr eine Woche vor dem Todeszeitpunkt ereignet haben muss. Eine Tatwaffe wurde nicht gefunden. Es gibt keine Zeugen zum unmittelbaren Tatgeschehen. Hauptverdächtiger ist der 54-jährige Bruder Siegfried Landwehr. Dieser sitzt in Untersuchungshaft und ist nicht geständig.
So weit, so klar. Dass es immer wieder, Jahrzehnte lang, zu heftigem Streit zwischen den beiden Brüdern kam, war in Dettelbach kein Geheimnis. Die wüsten Saufgelage, die Horst tagtäglich in der Kelterhalle veranstaltete, machten den hart arbeitenden Siegfried rasend. Vom Hof jagen konnte der Jüngere den Bruder aufgrund der komplizierten Erbfolge nicht. Dennoch, eine derart brutale Tat konnte man dem Winzer unmöglich zutrauen. Im Ort achtet man ihn als fürsorglichen Vater, als ehrlichen, zuverlässigen und fleissigen Menschen, dem leider immer die Frauen wegliefen.
Ganz anders der Bruder, laut und derb, schon am frühen Morgen schwer betrunken, einer der ständig den Frauen nachstellt. In den meisten Gaststätten hatte er Hausverbot auf Lebenszeit. Auch unter seinen Saufkumpanen gab es sicherlich den einen oder anderen, der einen guten Grund gehabt hätte, das vorzeitige, brutale Ableben des Trinkers herbei zu führen.
Was also war wirklich passiert in dieser kalten Januarnacht auf dem Weingut der Brüder Lachmann?
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